EIN ECHTER AUZOUX
Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin (i.Gr.), Philipps-Universität Marburg
Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin (i.Gr.), Philipps-Universität Marburg
Erst kürzlich entdeckten Mitarbeiter des Museum anatomicum Marburg, welcher Schatz jahrelang in einer Ecke des Museums stand: ein echter Auzoux!
Louis Thomas Jérôme Auzoux (1797-1880) studierte von 1816 an Medizin in Paris und beklagte schon in seiner Studentenzeit den Mangel an Leichen zu Ausbildungszwecken. In den frühen 1820er Jahren begann er deshalb mit der Herstellung von anatomischen Pappmaché-Modellen. Das Material hat den Vorteil, dass es kostengünstig herzustellen und im Gegensatz zu sonst üblichen Modellen aus Wachs relativ temperaturunempfindlich ist. Der größte Nutzen lag jedoch in der Zerleg- und Wiederzusammensetzbarkeit der Modelle.
Im Gegensatz zur Präparation natürlicher Leichen, die nur einmal in einem engen Zeitfenster aufgrund der einsetzenden Verwesung präpariert werden konnten, waren die Pappmaché-Modelle wiederverwendbar. Der kommerzielle Erfolg seiner kostengünstigen, aber doch detailgetreuen anatomischen Modelle bewog Auzoux dazu, in seiner Heimatstadt St. Aubin d´Ecrosville in der Normandie ein Unternehmen zur Produktion der Modelle zu gründen, die mittlerweile großen Absatz fanden. Später erweiterte Auzoux seine Produktpalette um embryologische, botanische und zoologische Modelle.
Ähnlich wie Frederick Ruysch um die Zusammensetzung der Wachsmassen für seine Injektionspräparate, machte auch Auzoux ein Geheimnis aus seiner Pappmaché-Mischung. Martyn L. Gorman, Kurator des Zoologischen Museums in Aberdeen, geht davon aus, dass es sich um eine Mischung aus Mehlkleister, zerkleinertem Papier, geschnittenen Lumpen, blanc de Meudon (Calciumcarbonat) und poudre de Liège (Korkpulver) handelt, wobei die letzten beiden Zutaten nur mündlich überliefert wurden.
Das Marburger Modell misst ca. 1,20 m und steht mit dem rechten Bein auf einem eisernen Dreifuß (auf dem Bild nicht zu sehen). Der rechte Oberschenkel wurde in der für Auzoux typischen Weise mit „Auzoux doct. fecit anno 18?7“ signiert, wobei nicht mehr zu erkennen ist, ob es sich bei der Zahl um eine 2 oder 4 handelt. Das Modell ist aus ca. 130 Einzelteilen zusammengesetzt, die abnehm- oder ausklappbar sind und so den Blick auch auf tiefere Schichten ermöglichen. Es ist in keinem guten Zustand und müsste dringend fachmännisch restauriert werden. Weitere Forschungen zur Erwerbsgeschichte sind geplant.
Datenzugang
Weiterführender Link
Lizenzierung: CC BY-SA
Daraus entstandene Projekte: